Der alte Mann und sein Pferd Ein sehr alter, armer Chinese lebte in einem kleinen Dorf, aber selbst Könige waren neidisch auf ihn, denn er besass ein wunderschönes Pferd. Sie boten ihm phantastische Summen für sein Tier, aber er antwortete:" Dieses Pferd ist für mich kein Pferd, sondern ein Freund. Wie könnte ich es denn verkaufen?" Eines Morgens fand er sein Pferd nicht im Stall und die Dorfbewohner sagten: "Wir haben es erwartet, dass dein kostbares Pferd eines Tages gestohlen würde. Es wäre besser gewesen, es zu verkaufen. Welch ein Unglück!" Der Alte entgegnete: "Sagt das nicht! Sagt nur: ' Das Pferd ist nicht im Stall.' Ob das ein Unglück oder ein Glück ist, weiss niemand." Die Leute lachten ihn aus, denn sie hatten schon immer gedacht, er sei ein bisschen verrückt. Am nächsten Tag kam das Pferd zurück zu seinem Stall. Es war nicht gestohlen worden, sondern in die Wildnis ausgebrochen. Es kam aber nicht alleine, sondern mit ihm kamen auch noch Wildpferde mit. Die Leute sagten zum alten Mann: "Du hattest recht, es war kein Unglück, es hat sich gar als Segen erwiesen." Der Alte winkte ab und sagte:" Wieder seid ihr vorschnell mit euren Worten. Sagt einfach:' Das Pferd ist zurück'. Wer weiss, ob das ein Segen ist oder nicht." Der Alte hatte einen einzigen Sohn. Dieser begann, die Wildpferde zu zähmen. Nach ein paar Tagen fiel er von einem Wildpferd. Er brach sich beide Beine so kompliziert, dass er zum Krüppel wurde. Die Leute sagten zum alten Mann: "Wieder hattest du recht! Es war ein Unglück, denn dein Sohn kann jetzt seine Beine nicht mehr gebrauchen. Du hast deine einzige Stütze für das Alter verloren. Welch ein Unglück!" Der alte Mann erwiderte:" Nein, geht nicht so weit mit euren Aussagen. Sagt nur, dass mein Sohn sich beide Beine gebrochen hat. Niemand weiss, ob dies ein Unglück oder ein Segen ist!" Es ergab sich, dass der Landesregent kurz darauf einen Krieg begann und alle jungen Männer des Landes zwangsweise zum Militär eingezogen wurden. Nur der verkrüppelte Sohn des alten Mannes blieb im Dorf. Die Leute aus dem Dorf eilten wieder zum alten Mann und klagten: " Dein Sohn ist zwar verkrüppelt, aber immerhin ist er noch bei dir, unsere Söhne aber sind fort und haben kaum eine Chance, aus diesem Krieg wieder nach Hause zurück zu kommen. Welch ein Unglück!" Der alte Mann antwortete ihnen wieder: " Ihr hört nicht auf zu urteilen, obwohl niemand weiss, was sein wird! Sagt nur, dass man eure Söhne in die Arme eingezogen hat und dass mein Sohn nicht eingezogen wurde. Nur Gott, der das Ganze kennt, weiss, ob dies ein Segen oder ein Unglück ist."